Alarmstufe Rot durch die Klimakrise: 3 Massnahmen für Versicherer

‚Alarmstufe Rot‘ durch die Klimakrise: drei dringende Maßnahmen, die Versicherer jetzt ergreifen sollten

Laura Drabik

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Wenn Sie denken, die Coronapandemie war schmerzhaft, dann schauen Sie mal auf die Auswirkungen der Klimakrise, die in einem UN-Bericht als ‚Alarmstufe Rot für die Menschheit‘ charakterisiert wurde.

Im August warnte der Bericht [1] des UN-Weltklimarats (IPCC), dass es schon zu spät sein könnte, den durch die globale Erwärmung bedingen, signifikanten Anstieg von extremen, wetterbedingten Katastrophen in den nächsten zwei Jahrzehnten zu stoppen. Wenn die versicherten Schäden aus Naturkatastrophen aus diesem Jahr ein Indikator sind, dann hat er bereits begonnen.

Laut Financial Times [2], gab es so viele Waldbrände und Winterstürme in den USA und Tornados in Europa, um Versicherern weltweit schon im ersten Halbjahr 2021 einen 40 Mrd. US-Dollar schweren Schlag zu versetzen. Wer die Zahlen verfolgt, weiß - das ist das schlechteste Jahr für die Elementarversicherung innerhalb der letzten Dekade. Und das noch vor der verheerenden Flut in Deutschland im Juli und den zerstörerischen Waldbränden in Griechenland und Sibirien, oder der Hauptsaison für Hurrikans, in der wir uns gerade befinden.

Das ultimative ‚Gray Rhino‘

Es ist nicht so, dass die Branche es nicht kommen sah. Verluste aus Naturkatastrophen sind im Jahr 2020 um 26,5% gegenüber 2019 gestiegen – was allein schon rekordverdächtig ist.

Von 2000 bis 2010 gab es in den USA durchschnittlich weniger als acht Wetter- und Klima-bedingte Elementarereignisse in der Größenordnung von 1 Mrd. US-Dollar. Letztes Jahr waren es 22.

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Klar - Versicherung ist das Geschäft mit dem Risiko. Aber mit zunehmender Gefahr durch die Effekte des Klimawandels, wird mehr und mehr deutlich, dass die Versicherungsindustrie technologische Innovation nutzen muss, wenn Sie diese Risiken effektiv abschwächen will. Hier sind drei Dinge, die Versicherer unverzüglich in Angriff nehmen sollten. Die gute Nachricht: damit könnten Versicherer der Branche und der Welt einen großen Dienst erweisen.

Maßnahme Nr. 1: Risikobewertung überdenken

Wie McKinsey [3] herausstellt, können Versicherer ihre jährliche Policierung und ihr Verständnis von sich verändernden Risiken nutzen, Portfolios neu zu tarifieren und anzuordnen, um langfristige Risiken durch den Klimawandel zu vermeiden. Dabei gibt es nur ein Problem. Versicherer sind auf historische Daten angewiesen, um dieses zukünftige Risiko zu kalkulieren. Aber das Klimasystem, in dem sich die Branche über die letzten 100 Jahre bewegt hat, ist nicht mehr da. Traditionelle Modelle und vergangene Verlusterfahrungen können nicht mehr als Grundlage dienen.

Heute benötigen Versicherer eine weit aktuelleres und genaueres Risikoverständnis, um profitabel zu tarifieren oder Risiken gleich zu vermeiden. Geodaten-Analytics könnte eine hilfreiche Technologie sein. Wenn sie mit einer Versicherungsplattform, wie z.B. der Guidewire Plattform integriert wird, liefern Lösungen von Unternehmen wie Betterview oder Cape Analytics Luftaufnahmen, Bilderkennung und Predictive Analytics um Immobilienrisiken sofort und On-demand zu bewerten.

Bei Cape Analytics beinhaltet dies die Bewertung von Risiken für Wohngebiete, Städte und auch auf regionaler Ebene. Denken Sie an Waldbrände, Hagel, Sturm, Hochwasser von steigenden Meeresspiegeln und andere Gefahren, die durch den Klimawandel verstärkt wurden.

Um Risiken richtig zu tarifieren und zu finanzieren, empfiehlt McKinsey der Branche, in Technologien zu investieren, die ihnen helfen, die lawinenartigen Auswirkungen bestimmter, klimabedingter Gefahren auf verschiedene Sektoren und Regionen zu erkennen. Auch wenn Versicherer die Deckung einer spezifischen Immobilie oder Betriebsstätte ablehnen, können Naturkatastrophen, die Schäden an Infrastruktur und Lieferketten verursachen, trotzdem die versicherten Objekte beeinflussen. Nach Einschätzung von Swiss Re, könnten diese Dominoeffekte 23 Billionen US-Dollar der Weltwirtschaft im Jahr 2050 aufzehren.

Maßnahme Nr. 2: Innovative, neue Produkte anbieten

McKinsey zeigt auf, dass der Klimawandel Versicherern auch eine Gelegenheit bietet, innovative, neue Versicherungsprodukte zu erstellen, die neuere und häufigere Gefahren abdecken, wie akute (z.B. Waldbrände) und wiederkehrende (z.B. sinkende Ernteerträge) Ereignisse.

Typisches Beispiel: parametrische Versicherung. Anders als traditionelle Versicherungsprodukte, bietet die parametrische Deckung Zahlungen aufgrund von auslösenden Ereignissen (Hurricanes, Erdbeben, Waldbrände, Dürre) definierter Größenordnung, anstatt auf Basis von Werten physischer Güter. Technologien wie die von Demex [4], ermöglichen es Versicherern, parametrische Versicherungen anzubieten. Gleichzeitig helfen sie den Unternehmen, Risiken zu identifizieren und auf zuvor zertifizierte Versicherungsträger zu übertragen, die für die Bedrohungen, die sich aufgrund des Klimawandels ergeben, als ‚Stoßdämpfer‘ dienen.

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Nach Einschätzung des Beratungsunternehmen Marsh McClennan [5] ist die parametrische Deckung besonders wertvoll, wenn es zu wenig Kapazität oder Appetit von traditionellen Versicherungsmärkten gibt. Speziell, wenn Verluste aus Geschäftsunterbrechungen durch wetter-bedingte Ereignisse größer sind als der Wert physischer Güter. Für Versicherer ist es ein effizienter Weg, nicht nur das Risiko zu verringern, sondern auch ihre Reaktion auf Kumulereignisse zu optimieren. Die Zahlungen werden genau dann automatisiert, wenn die Anzahl der Schadenmeldungen die Bearbeitungskapazitätsgrenze überschreiten könnte.

Maßnahme Nr. 3: Unternehmen dabei unterstützen,
das Risiko für uns alle zu senken

Gemäß UN-Bericht, kann praktisch nichts getan werden, um die klimabedingten Naturkatastrophen abzuwenden, die durch einen Anstieg von 1,5 Grad Celsius der durchschnittlichen, globalen Temperatur für die nächsten 20 Jahre erwartet werden. Aber es ist nicht zu spät für Staaten und Industrien, CO2-Emissionen drastisch zu reduzieren, um zu verhindern, dass die Temperaturen noch höher steigen. Die Versicherungsindustrie kann dabei eine zentrale Rolle spielen.

Neue Formen von nutzungsabhängigen Policen (UBI), belohnen klima- und umweltfreundliches Verhalten – z.B. bei Versicherungen für Elektroautos [6] oder grünen Hausratversicherungen [7]. Smartphone-basierte Telematik wird eingesetzt, um Kunden dafür zu belohnen, weniger zu fahren. Nutzungsabhängige Versicherungen werden dieses Jahr um 50 % wachsen, und könnten bis 2024 einen Marktanteil von 20 % aller Kfz-Policen erreichen, so Forrester Research [8]. Diese Art der Deckung könnte bald auch für die Unterstützung von autonom fahrenden elektrischen Bussen und Lkw-Flotten genutzt werden, die Transportwege sicherer und effizienter machen.

Versicherer können Anreize für Unternehmen setzen, durch Maßnahmen, die über das Underwriting hinausgehen. Laut Insure Our Future [9], ist die Versicherungsindustrie der zweitgrößte institutionelle Investor weltweit mit einem enormen finanziellen Einfluss. In dieser Hinsicht machen Aviva, Zurich und andere große Versicherungsgruppen Fortschritte in ihrem Einsatz für ESG (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) zur CO2-Neutralität in ihren eigenen Unternehmen, als auch in Bezug auf die Unternehmen und Fonds, in die sie investieren. Andere Versicherer sollten ihrem Beispiel folgen.

Vom Risiko zu Resilienz

Das von mir hier skizzierte Maßnahmentrio ist zwar sehr wichtig und dringend, wird aber die Gefahren des Klimawandels für Versicherer und uns alle, nicht allein lösen. Wir brauchen Regierungen, ein Massenbewusstsein, regulatorische Verfügungen und vieles mehr, um zu verhindern, dass eine schon schlechte Situation noch (sehr) viel schlechter wird.

Wie es jetzt aussieht, wird der Bericht des Weltklimarats ein primärer Fokus auf der UN-Konferenz in Glasgow im November sein. Wir sollten alle hoffen, dass dies zu soliden Schritten führt, um die Herausforderungen des Klimawandels die vor uns liegen, einzudämmen. Die drei genannten Maßnahmen wären für Schaden- und Unfallversicherer ein guter Anfang.